Der Neue Tag berichtete im Weihnachtsmagazin:

Der Herbergsvater

Bei Krippenbauer Michael Elsner ist das ganze Jahr über Weihnachten.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Michael Elsner kann nicht schlafen. Schon seit Stunden wälzt er sich hin und her – ständig kreisen seine Gedanken um die Frage: Wie schaffe ich es nur, der neuen orientalischen Weihnachtskrippe den letzten, den unvergleichlichen Schliff zu verpassen? Kaspar, Melchior und Balthasar verharren derweil in jener Krippe still und regungslos im Dunkeln eine Etage tiefer. Dann … wird es plötzlich Licht! Der Krippenbauer tritt herein, LED-Leuchten erhellen die Herberge, ihr Erbauer macht sich an die Arbeit. Früh am Morgen ist das Kunstwerk schließlich vollendet. Ein Unikat. Eines von über 100. „Als Künstler hat man keine Wahl, das Werk muss entstehen und vollendet werden, wenn einen die Muse küsst.“
 
Was knapp 800 Jahre vorher geschah … Ein gewisser Franz von Assisi stellt in einer Felsgrotte die Geburt Jesu mit lebenden Tieren und Menschen nach. Der Mann, der später heilig gesprochen wird, möchte mit diesem Schauspiel im Jahre 1223 das Weihnachtsgeschehen anschaulich vermitteln. Die Zuschauer sind begeistert – vor allem von diesem Satz: „Bauet die Krippen zum Lobe des Herrn, aber baut sie nach Eurer Heimat.“ Der kleine Michael starrt Jahrhunderte später begeistert in eine Weihnachtskrippe, fasziniert erkundet der Bub mit seinen Augen die Miniaturbauten und fährt mit den Fingern über einzelne Figuren. Heute ist Michael Elsner der Herr der 100 Krippen. Sein ganzes Haus ist voller heimatlicher, alpenländischer und orientalischer Unikate. Was offensichtlich ist, spricht der Holzkünstler mit Stolz aus: „Bei mir ist das ganze Jahr über Weihnachten.“
 
Es sind Freunde und Bekannte des Krippenbauers, die vor 30 Jahren jene kindliche Faszination von damals neu entfachen: „Du bist doch gelernter Schreiner, kannst du uns nicht diese schöne Krippe nachbauen?“ Eine Frage, die der Ebermannsdorfer nicht wirklich beantworten kann – allerdings findet sich der Mann mit den geschickten Händen kurze Zeit später in seiner Garage wieder und beginnt damit, seine erste Weihnachtskrippe zu bauen. Natürlich eine Oberpfälzer Krippe. „Es lief besser als gedacht, und was hinzukam: Meine Leidenschaft war geweckt worden, ich konnte mit dem Krippenbauen nicht mehr aufhören.“
 
Ein Rundgang durch das Haus kommt dem Eintauchen in eine Weihnachtslandschaft gleich. Wohin das Auge blickt: Krippen. Herbergen für die Heilige Familie in ihren schönsten Formen. Immer anders und doch alt bekannt. Die Heiligen Drei Könige unter einem imposanten Schrägdach, das Jesuskind unter Palmenblättern, Maria und Josef im Schein von blauem, orangem oder gelbem Lichte. Eine vertraute Geschichte, die auf der ganzen Welt gleich erzählt wird und doch überall anders klingt. Im Zuhause von Michael Elsner, vom Keller bis zum Dach, sind alle Stimmen vereint. „Hier unten ist mein Atelier“, erzählt der Krippenbauer, zieht flink Schübe heraus, zeigt allerlei Werkzeug – von extra scharfen japanischen Messern bis hin zum Geißfuß für spezielle Rillen in den Tischlerplatten. „Eine Weihnachtskrippe zu bauen, das ist ein mehrtägiger, ja mehrwöchiger Prozess, Schritt für Schritt entsteht das Kunstwerk.“ Kurzes Innehalten, denn da ist es, dieses Leuchten in den Augen, diese Aufgeregtheit und Freude, gerade so, wie es wohl bei dem kleinen Michael schon damals zu beobachten war.
 
Krippenbau ist eine Wissenschaft für sich. Wer um die Tradition weiß, um die Charakteristik der unterschiedlichen Stile, wird schnell inhaltliche Fehler von Dächern, Ställen und Figuren entdecken – sofern sie denn vorhanden sind. Michael Elsner ist ein belesener Experte, Dozent bei der VHS, gibt selbst Kurse im Krippenbauen. „Dächer, je spitzer sie sind, gehen in die Oberpfälzer Richtung, je flacher, desto mehr sind sie im alpenländischen Raum zu finden.“ Der Herbergsvater von über 100 Krippen ist mit Füßen und Händen gleichermaßen flink. Während des Erzählens zieht er hier herrlich duftende Tischlerplatten hervor und zeigt die Maserung, die in einem bestimmten Winkel verlaufen muss, um sie verarbeiten zu können – und zeigt dort spezielle Abtönfarben, die mit einem extra Farbanteil besonders geeignet sind. „Das Gebäude und die Figuren müssen im richtigen Verhältnis zueinander stehen“, sagt der Meister und hantiert dabei mit dem Krippenmeter. „Die Größe der Krippe gibt die Größe von Figuren, Tieren und Zubehör vor.“ Das Anschauen einer Elsnerkrippe ist ein aufregendes Entdeckungsabenteuer. Die Werke zeugen von theoretischem Fachwissen und handwerklicher Leidenschaft, die sich in jedem Detail finden lässt.
 

Die Krippenfaszination – Bankdirektoren, Hausfrauen und einfache Arbeiter sind ihr erlegen. Und alle wollen das Kunsthandwerk von Michael Elsner erlernen. „Ein gewisses Geschick und räumliches Vorstellungs-vermögen sind wichtig“, sagt der Ebermannsdorfer. „Sonst schaffen die Kursteilnehmer weder meine Hausaufgaben, die ich ihnen aufgebe, noch schaut die Krippe am Ende so aus, wie man es sich wünscht.“ Das Lernen hat Michael Elsner mit seinen Kursteilnehmern ohnehin gemein, denn: „Ein Krippenbauer lernt nie aus, das ist eine unendliche Geschichte, etwas für die Ewigkeit.“

 

Text und Fotos: Norbert Eimer